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01.08.2023

Rathaus-Baustelle: Archäologen arbeiten sich den Hang empor

Latrinenschacht aus Eichenholz.
Ziegellatrine, die wahrscheinlich nach dem großen Stadtbrand von 1677 mit Bauschutt verfüllt wurde.
Zahnungen im Mauerwerk dienten als passgenaue Binder für später vorgesehene Anbauten.
Mauerwerk mit Zahnung. An dieser Stelle begann um 1300 die „Versteinerung“ des Quartiers.
Funde auf der Rathaus-Baustelle, u.a. eine vollständige erhaltene Keramikkanne.
Der Rostocker Rathauskomplex soll um zwei Neubauten ergänzt werden. Auf dem Areal zwischen Neuem Markt und Kleiner Wasserstraße lassen wir zwei Gebäude errichten – mit Büros und einem neuen Saal für die Bürgerschaft.

Im März 2023 wurde die Baustelle eingerichtet. Anfang August 2023 haben hier immer noch die Archäologen das Sagen. Grabungsleiter Dr. Jörg Ansorge von der Firma Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern (AIM-V) und seine Mitstreiter arbeiten sich vom Ausgangspunkt an der Kleinen Wasserstraße in Richtung Hang Neuer Markt/An der Hege voran. Waren es zu Beginn teilweise sehr gut erhaltene Überreste von Holzkellern aus dem späten 13. Jahrhundert, untersuchen die Archäologen nun zunehmend auch steinerne Zeugnisse der Vergangenheit.

Vor allem ein Fund direkt an der Kleinen Wasserstraße half dem Grabungsteam, die Topographie des Quartiers besser zu verstehen. „An dieser Stelle entdeckten wir eine Zahnung im Mauerwerk“, berichtet Dr. Ansorge. „Hervorstehende Ziegel, sie wirken wie Zähne, dienten als passgenaue Binder für später vorgesehene Anbauten“ – in diesem Fall für die Verlängerung des Gebäudes nach Süden. Das Eckhaus Kibbennibberstraße 11 mit Giebel zur ehemaligen Kronenstraße war um 1300 der Ausgangspunkt der „Versteinerung“ der ehemaligen Holzhäuser im Osten des Quartiers. „Die Zahnung war in der Wandfläche überhaupt nicht zu erkennen, eine super Arbeit“, ist Dr. Ansorge vom Geschick der Handwerker im Mittelalter beeindruckt.

Das zeigt sich auch in der Qualität der beiden freigelegten hölzernen Latrinenschächte, die wohl bis Mitte des 15. Jahrhunderts genutzt wurden. Zumindest bei einem davon. „Wir sehen hier eine gute Zimmermannsarbeit, das ist die hohe Schule“, weist Dr. Ansorge auf den linken Schacht. „Zwei mal zwei Meter im Quadrat, die Tiefe ist noch unbekannt, aber wir gehen von mehreren Metern aus.“ Baumaterial war Eichenholz, als Technologien kamen das Brunnenabsenkverfahren (ohne Baugrube!) und die gerade Überblattung zur Anwendung. Die Bohlen wurden einfach ineinandergesteckt – und halten ausgesteift mit Eckpfosten und Querriegeln unter Luftabschluss bis heute.

Von der Bautätigkeit im Quartier zeugen auch Überbleibsel aus späteren Zeiten, nicht weit entfernt von den Latrinenschächten: Zum einen Abwasserrohre der englischen Firma Crossley aus Middlesbrough (um 1870/80), zum anderen eine gut erhaltene runde Ziegel-Latrine. Dr. Ansorge: „Sie ist wohl nach dem großen Stadtbrand von 1677 mit Bauschutt verfüllt worden, diese Bauweise hat im 16. Jahrhundert die alten Holzschächte abgelöst.“

Wie geht es jetzt weiter? „Aktuell machen wir noch so viel wie möglich unten, zu Füßen des Hangs“, erläutert Dr. Ansorge. Wenn es nach dem Sommer eventuell feuchter wird, seien die Archäologen lieber oben aktiv. „Regenwasser kann dann nach unten abfließen. Dort haben wir zu diesem Zeitpunkt ja schon alles untersucht.“ Aber auch die Arbeiten „oben“ haben so ihre Tücken. Der Grabungsleiter nennt es „Alptraum Hang-Archäologie“. Heißt: Um den Druck des Hangs zu reduzieren und sichere Arbeitsbedingungen zu schaffen, muss der Übergangsbereich zum oberen Areal im Bereich des ehemaligen Parkplatzes mittels Terrassen „abgetreppt“ werden. „Derlei Grabungen sind recht anspruchsvoll, dazu müssen wir ein Konzept erarbeiten, es gilt fast sechs Meter Höhenunterschied zu überwinden“, erklärt Dr. Ansorge.

Man darf gespannt sein, welche Geheimnisse die Archäologen dem Boden auf der Rathausbaustelle noch entlocken können. Dr. Ansorge erhofft sich u.a. Hinweise auf den Verlauf der Grundstücksgrenzen. Und vielleicht auch noch den ein oder anderen Fund. Neben etlichen Daubenschalen, dem „Wegwerfgeschirr“ des Mittelalters, standen zuletzt unter anderem weiteres Holzgeschirr und eine vollständige Keramikkanne aus einer Latrine zu Buche.
Während die Archäologen weiter konzentriert ihrer Arbeit nachgehen, wartet man beim Eigenbetrieb KOE ungeduldig auf den Beginn der „richtigen“ Bauarbeiten. Nach aktuellem Stand könnte es Ende des Jahres soweit sein. „Bei einem Projekt dieser Größe und Bedeutung möchten wir natürlich so schnell wie möglich loslegen“, erklärt KOE-Chefin Sigrid Hecht. Ende Juli hat sie den Baustellenzaun am Neuen Markt mit Info-Planen versehen lassen. Anhand der Visualisierungen können die Rostockerinnen und Rostocker sowie Gäste der Stadt jetzt schon sehen, wie der Rathauskomplex in einigen Jahren aussehen soll.

Rathauskomplex, Neuer Markt 1, 18055 Rostock

Projekt „Rathauserweiterung“

Mit der Erweiterung des Rostocker Rathaus­komplexes um zwei Neu­bauten wird der Verwaltungs­standort am Neuen Markt gestärkt. Flexible Raum­konzepte schaffen moderne Arbeits­bedingungen, die zentrale Struktur erleichtert Behörden­gänge.

Bauzeit: 2023 bis vsl. 2027
zum Projekt

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