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27.06.2023

Rathaus-Baustelle gibt Zeugnisse der Stadtgeschichte preis

Vor-Ort-Termin auf der Baustelle für die Rathauserweiterung.
Diesen Holzkeller aus dem 13. Jahrhundert haben die Archäologen an der heutigen Kleinen Wasserstraße freigelegt.
Grabungsleiter Dr. Jörg Ansorge berichtet über den Fund eines vollständig erhaltenen Gefäßes.
Die zu untersuchende Fläche misst rund 3000 Quadratmeter.
Diese Pilgerzeichen wurden bei den Ausgrabungen gefunden. Foto: Dr. Jörg Ansorge (AIM-V)
Bauvorhaben in Innenstädten haben eine Besonderheit: Bevor die Gebäude in die Höhe wachsen, sind Untersuchungen in der Tiefe angesagt, die über das übliche Maß hinausgehen. So auch auf der Baustelle für den Rathausanbau am Neuen Markt. Hier sind Experten des Kampfmittel-Räumdienstes Kemmer Engineering und ein Team der Firma Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern (AIM-V) seit März auf der Suche nach Blindgängern aus dem 2. Weltkrieg und Zeugnissen der Stadtgeschichte. Sie handeln im Auftrag der Bauherrin: unseres Eigenbetriebs KOE Rostock.

Am Dienstag, 27. Juni, gab es einen Ortstermin auf der Baustelle. Mitglieder des Kulturausschusses, des KOE-Betriebsausschusses und Andreas Herzog als Vorsitzender des Ortsbeirates Stadtmitte nahmen die archäologischen Funde in Augenschein und gewannen Eindrücke aus erster Hand über die besonderen Bedingungen auf der Rathaus-Baustelle. Grabungsleiter Dr. Jörg Ansorge und KOE-Projektleiter Stefan Bölkow erläuterten den aktuellen Ablauf. Denn wie im Mittelalter haben es die Planer mit einer „bautechnisch schwierigen Situation zu tun“, sagt KOE-Betriebsleiterin Sigrid Hecht. „Eine Baugrube in Hanglage ist eine Herausforderung.“

Erste Suchschachtungen durch die städtische Denkmalpflege hatten bereits auf die Existenz archäologischer Bodendenkmäler hingedeutet. Das hat sich nun bestätigt. Die Archäologen entdeckten drei ungewöhnlich gut erhaltene Holzkeller aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Grabungsleiter Dr. Jörg Ansorge erläutert die besondere Bedeutung: „Die Wände sind fast zwei Meter hoch erhalten. Das ist nicht nur für Rostock selbst, sondern auch überregional bemerkenswert. Gut erhaltene Funde dieser Art sind sonst eher aus Städten wie Lübeck bekannt.“

Die Archäologen gehen auf einer Fläche von rund 3000 Quadratmetern auf Spurensuche. Los ging es entlang der Kleinen Wasserstraße auf der Ostseite des Baugrundstücks für den Rathausanbau. Hier standen im 13. Jahrhundert Holzhäuser mit Kellerwänden aus Eichenbohlen und Schwellbalken, die die Ständer für die Deckenbalken aufnahmen. Laut Dr. Ansorge wurden die Keller bis zu 100 Jahre lang genutzt und dürften stets recht feucht gewesen sein. „Das Regenwasser lief ja ständig den Hang herunter. Es wurde an den tiefsten Stellen der Keller gesammelt, abgeschöpft und entsorgt. Wir haben jedenfalls Hinweise auf Drainagen gefunden.“
Die Wissenschaftler können auch Umbauten nachweisen. So wurde in einem der Keller im 14. Jahrhundert nachträglich eine Backsteinwand errichtet. Bereits wenig später seien die Keller dann zugeschüttet worden.

Eine Hanglage sei eigentlich nicht für eine Besiedlung prädestiniert. „Die guten Grundstücke im oberen Bereich waren sicherlich schon vergeben. Der Hang musste terrassiert werden, um im unteren Bereich Wohnhäuser errichten zu können.“ Die topographische Situation muss laut Dr. Ansorge noch weiter untersucht werden. „Das haben wir noch nicht genau verstanden.“
Deren Bewohner waren wahrscheinlich kleine Handwerker untergeordneter Gewerke. Der frühere Name der Kleinen Wasserstraße – Kibbenibberstraße (bis 1942) – gibt anders als andere Straßennamen wie z.B. der Gerberbruch keine genauen Hinweise auf die Tätigkeit der Bewohner im Mittelalter, auch bleibt die Herkunft des Straßennamens im Dunkeln. Nicht zuletzt wurden beim großen Stadtbrand im Jahr 1677 und durch die alliierten Bombenangriffe ab 1942 viele Zeugnisse der Stadtgeschichte zerstört. „Als der Bereich in den 50er-Jahren planiert wurde, sind ebenfalls historische Schichten entfernt worden“, ist sich Dr. Ansorge sicher.

Wie ist die Entdeckung der Holzkeller stadtgeschichtlich einzuordnen? Dr. Ansorge: „Rostock erhielt 1218 das Stadtrecht. Die historische Mittelstadt entstand ab 1230, unsere Funde in der Kleinen Wasserstraße datieren wir auf 1260 oder 1270. Viel früher sicherlich nicht.“ Für eine genauere Bestimmung seien noch nicht ausreichend aussagekräftige Keramikreste gefunden worden. Mit einer dendrochronologischen Untersuchung der verwendeten Hölzer lasse sich aber das Fälldatum der Bäume recht exakt bestimmen.

Weitere Erkenntnisse erwarten die Archäologen durch die Untersuchung der Latrinen. „Eingegrabene Wein- oder Bierfässer dienten damals als Plumpsklo. In einem der Fässer haben wir zwei Gefäße aus dem 14. Jahrhundert gefunden. Zwar in Scherben, aber vollständig“, freut sich Dr. Ansorge. Eine ebenfalls entdeckte Feldsteinlatrine muss noch ausgegraben werden. Hier seien ebenfalls Funde zu erwarten. Grabungsleiter Dr. Ansorge bringt es augenzwinkernd mit einem Insider-Zitat auf den Punkt: „Archäologie ist immer im Loch enthalten, nicht auf dem Berg.“

Und wie geht es jetzt weiter mit den Holzkellern und anderen Funden? Dr. Ansorge erklärt den weiteren Ablauf: „Wir haben die Keller aus dem feuchten Boden geholt, der sie erstaunlich gut konserviert hat. Die extreme Trockenheit im Freien ist nicht gut für das Holz. Der Verfall ist deutlich zu sehen. Alles, was nicht für weitere Untersuchungen genutzt wird, verschwindet nach der Dokumentation auf der Baustoffdeponie. Es ist gut, dass die Öffentlichkeit noch einmal Notiz davon nimmt.“

Zu den herausragenden Kleinfunden gehören zahlreiche Metallobjekte aus Blei und Zinn, die einst als Verzierung von Kleidungsstücken Verwendung fanden. Von besonderem Interesse sind drei Pilgerzeichen aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert: Zeugen einer Wallfahrt nach Köln zu den Heiligen Drei Königen und der Heiligen Ursula und ihren 11.000 Jungfrauen sowie in das französische Rocamadour.

Rathauskomplex, Neuer Markt 1, 18055 Rostock

Projekt „Rathauserweiterung“

Mit der Erweiterung des Rostocker Rathaus­komplexes um zwei Neu­bauten wird der Verwaltungs­standort am Neuen Markt gestärkt. Flexible Raum­konzepte schaffen moderne Arbeits­bedingungen, die zentrale Struktur erleichtert Behörden­gänge.

Bauzeit: 2023 bis vsl. 2027
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